Christopher Alexanders Theorie der Mustersprachen

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Ich habe zur Zeit drei Artikel für die Zeitschrift Hagia Chora in Planung, die sich mit Christopher Alexander und der Mustersprachentheorie beschäftigen. Die Artikel werden voraussichtlich ab Frühjahr 2008 jede zweite Ausgabe erscheinen. Als Appetitmacher hier vorab die Abstracts der Artikel.

 

1. Die Qualität ohne Namen: Christopher Alexander und die Gestaltung lebendiger Lebensräume mit Mustersprechen

Wodurch wird Architektur zeitlos? Wie kommt es, dass uns manche Gebäude und städtische Orte tief berühren und bewegen und andere uns nur abschrecken und befremden? Der amerikanische Architekt Christopher Alexander versuchte in den 80er Jahren mit zwei voluminösen Bänden auf diese Fragen eine Antwort zu geben. Mit “Die zeitlosen Kunst zu Bauen” und “Eine Mustersprache” erregte er nicht nur unter Architekten viel Aufsehen. Seine Bücher waren mehr als eine zeitgenössische Analyse der Architektur mit ihren Potentialen und Schwächen. Alexanders Fragen schürfte tiefer: er wollte die Vorstellungen und Weltanschauungen der zeitgenössischen Architektur bis auf ihr Fundament hinterfragen, um so die Quelle auszumachen, die er hinter jeder gelungenen Architektur und Stadtplanung vermutete, um dann in einem nächsten Schritt genau aus dieser Quelle heraus seine Arbeit als Architekt speisen zu können.

Diese Quelle nannte Alexander `Die Qualität ohne Namen`: “Es gibt eine zentrale Qualität, die das fundamentale Kriterium für das Leben und den Geist eines Menschen, einer Stadt, eines Gebäudes oder der Wildnis ist. Diese Qualität ist objektiv und präzise, aber sie kann nicht benannt werden (S.ix, The timeless way of building).” Während der Suche nach dieser Qualität, entdeckte Alexander das Konzept der Muster. Jeder Ort, so stellte er fest, erhält seinen Charakter durch Muster, die sich hier immer wieder ereignen und die auf eine bestimmte Weise an die geometrischen Formen im Raum gebunden sind. Alexander schreibt:

“Die spezifischen Muster aus denen ein Gebäude oder eine Stadt gemacht sind, mögen tot oder lebendig sein. Zu dem Grad, zu dem sie lebendig sind, lassen sie innere Kräfte frei, die wiederum uns befreien, aber wenn sie tot sind, sperren sie uns ein in innere Konflikte. Je mehr lebendige Muster an einem Ort sind – einem Raum, einem Gebude oder einer Stadt – desto lebendiger wird er als Gesamtheit, desto stärker beginnt er zu leuchten, desto stärker brennt in ihm dieses selbsterhaltende Feuer, das die Qualität ohne Namen ist. Und wenn ein Gebäude dieses Feuer hat, dann wird es ein Teil der Natur. Wie Ozeanwellen, oder Grashalme werden seine Teile regiert durch das endlose Spiel von Wiederholung und Vielfalt, geschöpft aus der Gegenwart der Einsicht, dass alle Dinge vergehen. Dies ist die Qualität selbst (S. x f, the timeless way of building).”

Alexander stellte fest, dass Menschen immer schon in der Lage waren mit diesen Mustern ihre Lebensräume zu gestalten, ohne dass sie je Architektur studiert hatten. Alexander beobachtete, dass die Muster einer Region und einer Kultur den Menschen früher so geläufig gewesen waren, wie ihre eigene Mustersprache und dass sie mit den Mustern gestalten konnten, so wie man mit Wörtern sinnvolle Sätze zusammen setzen kann. Alexander nannte diese Entdeckung Mustersprachen. Heute fehlt uns jedoch aus verschiedensten Gründen der Zugang zu diesen natürlichen Mustersprachen. Aber wir können, so Alexander, wieder damit beginnen eigene Mustersprachen aufzubauen, mit den Mustern, die wir durch genaue Beobachtung in lebendigen Orten erkennen. In seinem Buch “Eine Mustersprache” hat Alexander mit seinen Kollegen 253 solcher Muster beschrieben, in der Hoffnung durch das Neuerlernen von Mustersprachen wieder jene Orte gestalten zu können, die uns mit ihrer Lebendigkeit tief berühren und darum durch allen Wandel hindurch zeitlos sind.

2. Die Natur der Ordnung: Eigenschaften natürlichen Lebens und die Ordnung der Lebendigen

Christopher Alexander hat seit der Veröffentlichung seiner grundlegenden Büchern in den 80er Jahren zahlreiche internationale Projekte mit Hilfe seiner Mstersprache gestaltet und diese dokumentiert. Aber das Fragen nach den tiefen Ursachen und Gründen hat er sein Leben nicht aufgegeben. Christopher Alexander ist von Profession ein Architekt aber im Herzen ein Philosoph. 2002 überraschte er mit seinem Opus Magnum: ein vierbändiges Werk mit dem Titel: `Die Natur der Ordnung`. Seine alte Frage ist geblieben: wie kann man lebendige Orte und Gebäude schaffen? Sein Fragen jedoch setzte diesmal noch tiefer an: Wenn wir als Menschen unsere Umwelt gestalten, egal auf welche Weise, dann schöpfen wir eine bestimmte Ordnung. Diese Ordnung spiegelt unser Verständnis von der Ordnung der Welt und damit der Natur wieder. Wenn wir ein kausales, deterministisches Weltbild haben, so werden wir auch genau diese Ordnung hervorbringen. Wenn wir ein mechanistisches Weltbild haben, dann wird unsere Gestaltung mechanistische Lösungen anbieten und damit mechanistische Ordnungen hervorbringen. Insbesondere Architekten, die mit dem Raum und der Materie arbeiten, sind , so Alexander, anfällig für Vorstellungen, in denen Raum, Materie und die daraus resultierende Ordnung der gebauten Welt rein mechanistisch erklärt wird. Diese Architekten planen folgerichtig Gebäude und Städte, die die gleiche mechanische Leblosigkeit widerspiegeln, die dem Denken ihrer Konstrukteure zugrunde liegt.

Als Philosoph muss sich Alexander daher fragen: Wenn es die Arbeit des Architekten ist, eine gewisse Ordnung herzustellen, und wenn diese Ordnung dem Verständnis des Architekten von Ordnung entspricht, die zeitgenössische Architektur aber zum großen Teil leblose Ordnung hervorbringt, wie sieht dann demgegenüber eigentlich die Ordnung der lebendigen Natur aus? Kann ich von dieser lebendigen Ordnung etwas Lernen, um als Gestalter ebenso lebendige Ordnung hervorbringen zu können?

Alexanders Antwort darauf ist: Natur ist lebendige Ordnung. Lebendige Ordnung ist ein Prozess von sich immer wieder neu entfaltenden räumlichen Mustern. Alexander analysiert in seinem Werk diese Muster und ihr Zusammenspiel und stellt fest: es lassen sich 15 fundamentale Eigenschaften ausmachen, die in unterschiedlichen Zusammensetzungen jeder lebendigen Ordnung eigen sind: unterschiedliche Größenverhältnisse, starke Zentren, Grenzen, alternierende Wiederholungen, Ambiguität, innere Ruhe um nur einige zu nennen.

Wenn wir diese Lebenseigenschaften in unseren Gestaltungen als Architekten und Stadtplaner berücksichtigen, erhalten wir ein neues Verständnis von der Ordnung der Natur und kommen in die Lage Orte zu schaffen, die sich als lebendiger Prozess entfalten können. Leben wird dann zu einer emergenten Eigenschaft des Raumes selbst: Lebendigkeit und Funktion sind für Alexander Strukturen, die im Raum liegen als Attribute des Raumes selbst: “Leben ist ein rekursiver Effekt, der im Raum entsteht. Leben kann nur rekursiv als die gegenseitige Intensivierung von Leben durch Leben verstanden werden. Der Raum in dem dies geschieht, ist der geometrische Raum (S.434, The Nature of Order I).” Der hoffnungsvolle Gedanke, der daraus resultiert ist: jeder Ort, an dem es gelingt einen lebendigen Prozess zu initiieren strahlt auf die umliegenden Orte ab und kann als Keimzelle des Lebendigen dienen.

3. Mit Mustern sprechen: Mustersprachen entwickeln und Lebendigkeit gestalten

Christopher Alexanders Gedanken über Mustersprachen und die lebendigen Przozesse von Räumen sind eine wunderbare, kraftvolle und mutbringende Theorie, die für jeden von Relevanz ist und auf jeden inspirierend wirkt, der verantwortlich mit Räumen arbeiten möchte. Aber wie können wir diese Gedanken in unsere tägliche Arbeit als Gestalter integrieren?

Alexander selbst gibt einige Beispiele. Sein Buch `Die zeitlose Kunst zu Bauen` sowie `Eine Mustersprache` bieten viele Anregungen Mustersprachen zu entwickeln und mit diesen Mustersprachen zu arbeiten. Trotzdem ist das methodische Repertoire eng und lässt noch viel Raum für eigene Erfahrungen und Entwicklungen. Teilweise hilft es auch über den Tellerrand der eigenen Fachgebiete zu schauen. So hat die Theorie der Mustersprachen insbesondere in der Informatik eine große Gemeinschaft gefunden. Dort, wo hochkomplexe Systeme aufgebaut werden, die zudem noch lebendig sein sollen, in dem Sinne, dass sie Menschen zum Mitmachen animieren, transparent und benutzerfreundlich sein sollen (z.B. in Open Source Projekten), werden Mustersprachen eingesetzt. Die Mustersprachenliteratur in der Softwarebranche ist riesig und der Erfahrungsschatz, wie mit Mustern konkret gestaltet werden kann, immens. Auch in der Permakultur werden Mustersprachen schon länger für die Entwicklung nachhaltiger Lebensräume eingesetzt. Eine weitere neue Entwicklung ist die Gestaltung lebendiger Bildungskonzepte mit Mustersprachen.

In diesem Artikel werde ich einige grundlegende Ansätze und Methoden vorstellen, wie man Mustersprachen für die (Frei)raumgestaltung im Zusammenhang mit Geomantie, Feng Shui und Permakultur einsetzen kann.