Polylektik

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Dies ist ein Archiv einer Seite, die 2006 geschrieben wurde.

Polylektik ist der Name eines Theorieprojekts, das ich schon lange verfolge. Während sich die Dialektik als Logik dualistischer Weltanschauungen beschreiben lässt (z.B. die Logik von Subjekt und Objekt), beschreibt der Begriff Polylektik eine Logik bei der es vielfältige Pole zu vermitteln gilt. Innerhalb des Theorieprojekts einer Polylektik stehen dabei momentan vor allem die kritische Theorie Theodor W. Adornos, insbesondere die Negative Dialektik, sowie die Phänomenologie Maurice Merleau-Pontys, und die Aktor-Netzwerk Theorien von Donna Haraway und Bruno Latour in meinem Interesse. Aber nicht nur: mit der Polylektik verbinde ich auch den Anspruch unterschiedliche Theorietraditionen und Wissenschaftsdisziplinen aufzugreifen und deren Potentiale nahezu synkretistisch zu nutzen. Eine Polylektik ließe sich als Theorie beschreiben, in deren Zentrum Vielfalt und Wandelbarkeit stehen und die Erkenntnis ermöglicht, indem sie ihren Blick auf die unterschiedlichen (Erfahrungs-) Muster dieser Vielfalt und Wandelbarkeit richtet. Auf diese Weise ergeben sich Perspektiven auf situiertes prozessurales Wissen, ohne im „Glauben an ein letzthin Gegebenes (Adorno)“ den Erkenntnisprozess abbrechen zu müssen.

Das Polylektikprojekt war ursprünglich im Rahmen einer Dissertation über Grenzen angelegt. Die Umstände der letzten Jahre haben dies allerdings in den Hintergrund gedrängt. Die faktische Auseinandersetzung mit polylektischen Strukturen durch meine Arbeit mit Mustersprachen und partizipativer Gestaltung haben sich vorerst vor eine rein theoretische Bearbeitung des Themas geschoben.

Erste Ansätze zur Polylektik können über in meiner Magisterarbeit und im Konzeptentwurf für mein Dissertationsprojekt nachgelesen werden. Auch einige hier veröffentlichte Beiträge stehen im Zusammenhang mit dem Polylektikprojekt, so z.B. der Aufsatz “Netzwerke und Gestaltenwandler“. Aber auch die nichtakademischen Beiträge spiegeln immer wieder polylektische Gedanken, wie z.B. die Denkstube Nr. 2.

Während es in meiner Magisterarbeit zum Thema Mythos und Naturwissenschaft darum ging, die dualistische Sicht auf diese beiden anscheinend unterschiedlichen Wissenspraktiken zu durchleuchten und sowohl Mythen als auch Naturwissenschaften als geschichtenerzählende generative Praktiken zu beschreiben, deren jeweiligen Prägungen sehr unterschiedlich ausfallen können, ging es in meinem Dissertationskonzept zum Thema Grenzen um das abstrakte Konzept der Grenze als Ort, an dem Differenz entsteht. Untersucht werden sollten Grenzen wie sie sich als Körpergrenzen, als Geschlechtergrenzen, als Definitionen (Begriffsgrenzen) aber auch als politische und topologische Grenzen etablieren. Dabei steht die Grenze als eigener Raum zwischen den sie umgebenden Milieus im Interesse. Gefragt werden sollte, warum und wie sich Grenzen verschieben, wie sie sich konstituieren oder konstituiert werden und wie sie wiederum von der Differenz leben, die sie selbst erzeugen. Die Grenze interessiert mich vor allem deswegen, weil sie den Raum öffnet, in dem sich Beziehungen (Relationen) überhaupt erst konstitutieren und ihre eigene Wirklichkeit entfalten können.

Die akademische Weiterbeschäftigung steht zur Zeit wie gesagt aus. Gerade deswegen freue ich mich über weitere Denkhinweise und Anregungen auch in diese Richtung.