Lesenotiz: Christian Felber – Die innere Stimme

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Es wurde Zeit sich mit Christian Felber zu beschäftigen. Zu häufig fällt der Name mittlerweile nicht nur in Szenekreisen (Linke, Ökos, Anthros) sondern mittlerweile auch in stärker mit dem Mainstream verbundenen Kontexten. Drei Bücher habe ich bestellt: „Gemeinwohlökonomie“ (2010), „Ethischer Welthandel“ (2017) und das kleine Büchlein: „Die innere Stimme“ (2015).

Mit Letzterem habe ich meine Lektüre begonnen, weil ich mir davon versprochen habe, mehr über den Menschen und die Intention Christian Felbers zu erfahren, bevor ich mich mit seinen politischen Gedanken beschäftige.

Außerdem finde ich es mutig, dass ein politischer Autor über Spiritualität und seine eigene innere Motivation schreibt. So formuliert Felber eingangs selbst die Zweifel sich diesem Thema zu stellen. Leider ist es ja tatsächlich so, dass für viele Menschen aus dem politischen oder akademischen Betrieb das bloße Vorhandensein einer solchen Schrift Anlass genug ist, das gesamte Schaffen und Wirken eines Autors zu diskreditieren. Felber geht daher ein Risiko ein, wenn er eine solche Schrift veröffentlicht. Auf der anderen Seite liegt in der Veröffentlichung aber sicherlich auch ein wohl überlegtes Kalkül: Wer eh schon den Anstrich des Querdenkers, Rebellen und Außenseiters hat und dafür in seiner Community geehrt wird, der kann mit einem solchen Buch selbstverständlich dieses Narrativ bestätigen und sich als ethischer und tief empfindender Mensch zeigen, dessen Theorie und politische Utopie auf mehr als bloßen Egoismen und Trivialitäten beruht. Ich hatte beim Lesen aber den Eindruck, dass Felber sich hier nicht übermäßig abfeiert und als Guru stilisiert, sondern es ihm tatsächlich um eine Art Selbstvergewisserung geht um seinen Leser*innen über seine Motive Aufschluss zu geben. Bei mir überwog der Eindruck, es handelt sich bei der Schrift um ein authentisches Anliegen und Zeugnis, dessen Effekte nicht unerwünscht, aber auch nicht ausschließlich strategischer Überlegungen geschuldet sind. Inhaltlich leistet das Buch daher auch nicht, was der Titel vielleicht erwarten lassen könnte: es ist kein Teaching, keine Lehre, keine Predigt. Es ist auch kein Ratgeber. Das Buch tut, was es nach Felber soll: Es gibt Aufschluss über den Menschen Felber und sein eigenes Glaubens- und Wertesystem, in dem sich sicherlich viele seiner Fans direkt wiederfinden. Das Identifizierungspotential Felbers Fangemeinde kann wohl als außerordentlich hoch eingeschätzt werden.

Damit kommen wir aber auch schon zum Problem des Buches. Es ist nämlich ein Konglomerat aus persönlichen spirituellen Empfindungen, vielfältigen Lebenserfahrungen und persönlichen Präferenzen. Ein Patchwork-Glaube, wie wir ihn uns wohl alle im Alltag zurechtlegen, der aber als Konzept zur Orientierung wenig taugt. Als Leser kann ich meine eigenen Erfahrungen und Glaubenssätze zwar vergleichen und einzelnes übernehmen, ich bekomme aber weder ein konsistentes Modell angeboten, noch werde ich auf einen Prozess mitgenommen noch erhalte ich Entwicklungsangebote. Die Leseerfahrung ist damit mehr eine Vergleichende als eine Erweiternde. Felbers Buch befriedigt ein biographisches Interesse an ihm als Begründer der Gemeinwohlökonomie, weniger aber ein Interesse an spirituellem Wissen.

Ich persönlich habe Vergleiche und Parallelen ziehen können. Felbers und meine Sozialisation, insbesondere unsere Peergroups sind sich wohl in vielerlei Hinsicht ähnlich. Ich kenne die gleichen Autoren und Kreise, habe vergleichbare Erfahrungen machen können. Aber darin liegt auch etwas Erschreckendes. Denn Felbers Ausführungen, obgleich persönlich, erfüllen alle Kriterien eines Klischees, sie spiegeln ein Millieu, eine Szene wieder, in dem sich bestimmte Haltungen, Denkrichtungen und spirituelle Ansätze immer wieder finden: Wilber, Hüther, Hesse, Lovelock, Macey, Chapra, Tiefenökologie, Holarchie… das ganze Pandemonikum einer ökosozial engagierten, spirituell bis esoterischen Weltsicht ist in Felbers Text anwesend.

Damit wird Felber unfreiwillig zu einer Art Prototyp eines weltanschaulichen Paradigmas und als solcher leider auch zur eine Karikatur des eigenen philosophischen und spirituellen Denkens. Seine Autoren, Positionen und Weltanschauungen ließen sich auch von einem Algorithmus von Facebook, Google oder Amazon vorhersagen: „Nehmen Sie doch bitte noch ein bisschen von… Die, die diese Glaubenssätze gekauft haben, kauften auch…“  Wir alle entsprechen ja solchen milieuspezifischen Kategorien. Daraus ist Felber kein Vorwurf zu machen. Felbers Schwäche liegt darin, dass er zum einen keine klar erkennbare individuelle Linie durch dieses weltanschauliche Konglomerat zieht. Schwerer wiegt aber, dass er keinerlei Bewusstsein darüber zum Ausdruck bringt. Er ist nicht in der Lage einen reflexiven oder gar ironischen Abstand zu seiner eigenen Positionierung vorzunehmen oder gar eine differenzierte Außensicht auf die Bedingtheit der eigenen spirituellen Situierung zu werfen. Er nimmt sein Bewusstsein und das ähnlich denkender letztlich als einzig gültiges wahr. Für die historische und soziale Positionierung, die eigenen Geisteshaltung und seine Genese fehlt die Außensicht auf sich selbst. Und dadurch wird das Buch leider streckenweise potentiell fragwürdig und bekommt etwas naiv poesiealbumhaftes.

Christian Felber schreibt einerseits angenehm und authentisch aus einer Ich-Perspektive und vermeidet es den Guru zu geben – was man ihm sehr hoch anrechnen muss –, andererseits irritiert der formulierte Geltungsanspruch der eigenen Weltsicht. Es scheint kein Zweifel für ihn daran zu geben, dass seine Einstellung im Grunde der (einzig) richtige Weg ist um zu einer gerechten und ökologischen Gemeinwohl-Gesellschaft zu kommen. Genau diese Freiheit von Zweifel führt aber am Ende zu einem sehr hermetischen und damit auch in seinem Anspruch totalitärem Weltbild, selbst wenn ich sicher bin, dass Felber dies nicht intendiert. Ausgerechnet das letzte Kapitel scheint aber diesen Eindruck zu zementieren und hat mir Gänsehaut gemacht. Dort schreibt er unter der Überschrift Finale Couragierung: „Bleiben Sie gehorsam. Oder werden Sie es.“

Er meint damit sicherlich: Bleiben Sie gehorsam dem eigenen Herzen gegenüber. Es impliziert aber auch: Nur der Gehorsam dem eigenen Herzen gegenüber macht einen unzweifelhaft zu einem individuell freien und dem Gemeinwohl verpflichteten Bürger. Den Gehorsam gegenüber Gott, den Felber mehrfach anprangert, wird zu einem Gehorsam gegenüber der inneren Stimme. Was bleibt ist der Gehorsam.

Eine integrale Perspektive, ein wirklicher Pluralismus und ein tiefes Verständnis von Demokratie als prozessualem Austausch der verschiedenen Lebensstile, Ansichten, Haltungen und Weltbilder geht unter diesem Imperativ vollkommen verloren. Nun bin ich gespannt, welchen Geist seine politischen Bücher und Konzepte atmen: den eines Gehorsams gegenüber einer letztlich unreflektierten geschlossene Utopie oder gegenüber den offenen Prozessen gemeinsamer Aushandlung und Entwicklung unterschiedlichster Perspektiven, Glaubenssätze und Lebensmodelle? Und diese Unterscheidung ist nicht trivial, den Ersteres würde zu Recht den schalen Beiklang totalitärer Ideologien tragen und nur das Zweite könnte als neuer demokratischer Weg ausgearbeitet werden.

Christian Felber: Die innere Stimme. Publik Forum 2015 Taschenbuch 11,90 Euro