Mustersprachen

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Archiv einer Seite von 2006

Das Konzept der Mustersprachen stammt von dem amerikanischen Architekten Christopher Alexander. Alexander stellte sich die Frage, wie es ihm als Architekten gelingen könne, lebendige Architektur zu schaffen. Heutigen Architekten mag diese Fragestellung schon fast anrüchig vorkommen, geht es ihnen doch oft um die Verwirklichung abstrakter funktionaler und ästhetischer Konzepte. Alexander beobachtete jedoch, dass es Orte gibt, die lebendiger wirken als andere und dass er diese Wahrnehmung mit vielen Menschen teilte, wie er in seinen Experimente zeigte. Um dieser Lebendigkeit auf die Spur zu kommen, entwickelte er aus seinen Beobachtungen das Konzept der Mustersprachen.

Muster beschreiben nach Alexander die abstrakten Relationen zwischen einem Problem, einem Kontext und der Lösung des Problems. Dazu kommt eine wechselseitige Verknüpfung der Muster miteinander. Jedes Muster ist ein eigenes Zentrum, das heißt, es besitzt eine eigene Wirkkraft in seinem Kontext und umschließt gleichzeitig weitere Muster, für die es selbst den Kontext darstellt. Auf diese Weise lässt sich ein mehrdimensionales Netzwerk von Beziehungen erfassen.

Ein Niedersachsenhaus folgt z.B. einem Muster. Jeder kann ein Niedersachsenhaus als solches erkennen und trotzdem gleicht nicht ein Niedersachsenhaus dem anderen. Das liegt daran, dass das Niedersachsenhaus eine Lösung für ein Problem (Wohn- und Arbeitsräume schaffen) in einem bestimmten Kontext (Norddeutschland mit einem bestimmten Klima, bestimmten Materialien, einer bestimmten Kultur) ist. Innerhalb des Musters Niedersachsenhaus gibt es kleinere Muster, z.B. grünes Doppeltor an der Front, Reetdach, Fachwerk mit Lehmziegeln etc. Gleichzeitig ist das Niedersachsenhaus Teil größerer Muster wie Dorf- und Landschaftsstrukturen. Alexander glaubt, dass die Menschen früher Mustersprachen intuitiv gelernt haben, wie ihre Muttersprache. Jeder Bauer und Handwerker war in der Lage mit den Mustern seiner Kultur Gebäude zu gestalten, so wie er mit den Wörtern seiner Sprache Sätze sprechen konnte. Trotzdem waren die konkreten Gebäude vielfältig und individuell und damit lebendig, anders als es mit der heutigen Modularisierung und Normierung zu ereichen ist.

Das Konzept der Mustersprache hat neben der Architektur bisher vor allem in der Software seine Anwendungen gefunden. Aber die Entdeckung des ganzen Potentials der Theorie steht noch aus. So habe ich damit begonnen, das Konzept in den Bildungsbereich zu übertragen, denn auch dort scheint es mir darum zu gehen, lebendige Strukturen zu schaffen, die jenseits der Modularisierung Vergleichbarkeit und Individualität ermöglichen.

Alexanders Mustersprachentheorie scheint mir viele Parallelen zur Gestalttheorie und zur Phänomenologie zu haben. Goethes Naturwissenschaftsvorstellung zeigt ebenfalls viele Übereinstimmung mit Alexanders Mustertheorie. Mustersprachen sind ein ungeheures Feld um sowohl theoretisch als auch praktisch zu forschen und sich dabei beobachtend und gestaltend auf die Beziehungen zu den Kontexten einzulassen, in denen wir uns bewegen.

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