Denkstube Nr. 2

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Heute: Was ist ein Permakultur Designer?

Um diese Frage zu beantworten würde ich gerne erstmal klären, was ein Designer ist. Design heißt in der direkten Übersetzung Gestaltung und nicht Planung. Gestaltung ist für mich ein weitaus umfassenderer Begriff als Planung. Er bedeutet nicht nur, dass wir Formen für Funktionen finden, oder Lösungen für Probleme, sondern dass wir dabei etwas Neues kreieren, das über diesen Funktionalismus hinausgeht. Gestaltung ist ein schöpferischer und kreativer Akt, der sich nicht nur rein logisch vollzieht, sondern auch emotionale, intuitive, ästhetische etc Prozesse beinhaltet. Gott ist kein Planer, sondern ein Designer, denn er ist schöpferisch tätig. Durch Gestaltung entsteht immer etwas Neues in der Welt. Es geht nicht nur darum, Bestehendes in einer neuen Form zusammen zu bringen, sondern vor allem darum, dem, was entsteht, eine eigene Gestalt, ein neues Gesicht, ein eigenes Leben zu geben. Die Gestalttheorie thematisiert genau dieses Phänomen: Die Gestalt ist mehr als die Summe ihrer Teile. Ein Musikstück z.B. besteht aus vielen Tönen, aber erst die gestaltende Zusammenstellung läßt aus den einzelnen Tönen eine Melodie werden, die eine bestimmte Gestalt hat und als etwas Eigenständiges wiedererkannt werden kann. Damit will ich gute Planung keineswegs herabgesetzen. Sie hat ihre Wichtigkeit und ist in vielen Kontexten unbedingt notwendig, auch in der Permakultur. Auch heißt das nicht, dass vieles, was uns als Design verkauft wird, tatsächlich mehr als schlechte Planung ist.

Um meine Vorstellung davon, was ein Designer ist zu klären, muss ich ganz kurz auf meine Philosophie der Teilhabe eingehen. Wer meinen Vortrag in Sieben Linden gehört hat, kann sich vielleicht schon ein Bild machen. In dieser Philosophie gehe ich von einem Blick auf die Beziehungen zwischen Elementen aus. Ich behaupte, dass nicht die Elemente der Welt (Menschen, Tiere, Dinge, Ökosysteme etc) Eigenschaften tragen und in Beziehung zueinander treten, sondern, dass die vielfältigen Beziehungen in der Welt Knotenpunkte bilden, die wir dann als Elemente und Dinge der Welt identifizieren. Das ist eine kleine und doch sehr entscheidende Änderung im Blickwinkel. Denn plötzlich sprechen wir nicht mehr von Dingen an sich, vom Wesen der Dinge oder von ewigen Tatsachen und Wahrheiten, sondern von einem sich ständig in Bewegung befindlichen Prozess des Lebens, in dem hypothetisch alles möglich ist. Diese Knotenpunkte aus Beziehungen nenne ich Partizipateure. Sie sind das, was wir bisher für die Dinge und Elemente der Welt gehalten haben. Doch ein Partizipateur ist die Summe seiner Beziehungen zu anderen Partizipateuren und verändert sich somit auch immer mit den Beziehungen, die ihn konstituieren. Was hat das jetzt mit der Frage zu tun, was ein Designer ist? Ich beschreibe einen Designer mit drei Bildern:

Der Designer ist ein Neoschamane. Ich glaube, dass die Arbeit von Schamanen genau darauf zielt, auf Beziehungen einzuwirken, um Veränderungen bei den Partizipateuren, die sowohl Menschen als auch Tiere oder Pflanzen sein können, zu bewirken. In diesem Sinne verstehe ich den Designer und insbesondere den Permakultur Designer als einen Schamanen. Seine Arbeit zielt darauf, auf Beziehungen zwischen den Elementen eines Systems Einfluss zu nehmen, neue nutzbringende Beziehungen herzustellen und schädigende Beziehungen zu verringern um sowohl neue Gestalten, neue Systeme zu entwickeln, als auch eine Heilung bestehender Systeme herbeizuführen. Im Idealfall ergänzen sich diese beiden Ziele und dem Designer gelingt es, aus einem bestehenden System, in dem es viele schädigende Beziehungen gab, ein neues System zu kreieren, indem die Beziehungen nutzbringende Kräfte entfalten und dem System damit eine ganz neue eigenständige, lebendige Gestalt zu verleihen.

Der Designer ist daher auch ein Gestaltenwandler. Denn ebenso wie die Elemente des Systems mit dem er arbeitet, ist auch er ein Partizipateur des Systems und ist somit selbst den Veränderungen der Beziehungen unterworfen, die er verändert. Er weiß, dass er nicht außerhalb des Netzes der Beziehungen stehen kann. Um auf Beziehungen positiv wirken zu können, muss er selbst in diesem Netz partizipieren, durch sein Wahrnehmen, Beobachten, Handeln, Denken und Gestalten. Dadurch verändert sich auch der Designer selbst, denn auch er ist als Partizipateur die Summe seiner Beziehungen. Indem ein Designer Beziehungen gestaltet, ändert sich auch immer seine eigene Gestalt. Ein Designer, muss sich selbst diesem Prozess zu öffnen, den er in Gang setzt und den er hofft im positiven mitgestalten zu können. Er muss bereit sein, dass der Prozess auch ihn berührt und verändert. Nur mit dieser vertrauensvollen Flexibiltät dem Entfalten des Lebens gegenüber, kann er die Transformation seiner Arbeit von einer rein funktionalistischen Planung zu einer lebendigen Gestaltung bewerkstelligen.

Der Designer ist ein Geschichtenerzähler, denn das Erzählen von Geschichten ist eine ehrwürdige Form auf Beziehungen Einfluss zu nehmen und etablierten Beziehungen durch das Wort mehr Kraft und Stabilität zu verleihen. Durch Geschichten erhalten Beziehungen Substanz und Bedeutung. Geschichten müssen nicht wörtlich erzählt werden. Mit Geschichtenerzählen beschreibe ich jeden Akt des Kommunizierens, der die Bedeutung einzelner Ereignisse in eine größere Struktur, eine Gestalt, einbindet.

Was ist nun mit der Permakultur? Permakultur habe ich in erster Linie immer als eine Disziplin verstanden, nämlich als eine Disziplin, die uns sowohl das Wissen über lebendige Beziehungen und deren Netzwerke gibt, als auch Methoden und Techniken an die Hand gibt, um solche lebendigen, komplexen Netzwerke zu gestalten. Dies geschieht sowohl durch Neuentwürfe aber, und das ist für mich weitaus wichtiger, vor allem als positive Beeinflussung vorhandener Netzwerke, die Heilung bedürfen. Der Permakultur Designer erreicht das dadurch, dass er besonnen die Strukturen und Beziehungen verändert, um heilende Kräfte und Energien wieder in Fluß zu bringen und um Ressourcen positiv zu nutzen.

Ich habe diese Beschreibung absichtlich sehr abstrakt gelassen, weil ich glaube, dass es für Permakultur Designer eine unglaubliche Menge an Einsatzbereichen gibt: Als Gärtner, Landwirt, Architekt, Handwerker, Mediziner, Philosoph, Informatiker, Manager, Pädagoge etc pp. Die einzige Ebene, die die Gemeinsamkeiten für Permakultur Designer untereinander beschreibt, ist für mich diese abstrakte Ebene. In ihr drückt sich sowohl ein gewisses Verständnis von lebendigen Prozessen aus, als auch eine innere Haltung in Bezug auf die eigene Arbeit und ein Reihe von fachübergreifenden Methoden. Ich glaube, dass es als Designer notwendig ist, zu dieser Ebene einen Zugang zu haben, egal ob emotional, rational, akademisch oder intuitiv.

Wie wird man zu einem Permakultur Designer?

Permakultur, wie oben als Disziplin verstanden, kann man meiner Meinung nach erlernen wie jede andere Disziplin auch: durch eine adäquate Ausbildung oder autodidaktisch. Die interessantere Frage ist natürlich, wie man zu einem Neoschamanen, einem Geschichtenerzähler und einem Gestaltenwandler wird, denn dabei geht es meiner Meinung nach über disziplinäres Fachwissen hinaus.

Ich fange beim Gestaltenwandler an. Gestaltenwandler sind wir meiner Meinung nach immer. Denn unser Lebensumfeld verändert sich ständig und so auch wir mit ihm. Die Frage ist aber: wie kann ich das als positive Qualität verstehen und mitgestalten? Dafür ist eine innere Haltung nötig, nämlich die Bereitschaft sich auf den Prozess des Lebens einzulassen und sich von ihm verändern zu lassen ohne kontrollieren zu wollen, wo dieser Prozess hinführt. Dazu braucht es Vertrauen, ein offenes Herz und den Mut, sich seinen eigenen Ängsten (die oft Ängste vor Veränderungen sind) zu stellen. Die meisten Lebenskonzepte zielen darauf, die eigene Position zu stabilisieren, indem man versucht Veränderungen aufzuhalten oder sie zumindest zu kontrollieren, um ihnen den Schrecken zu nehmen. Ein Lebensentwurf, mit dem ich versuche Sicherheit dadurch zu erlangen, dass ich den Fluss des Lebens blockiere, um mich und meinen jetzigen Zustand konstant zu halten, führt meiner Meinung nach in die Verzweiflung oder Resignation. Natürlich ist das Gegenteil auch wahr: wenn ich gar keinen Rahmen mehr behalte, mit dem ich mich fassen kann, und mich ausschließlich durch äußere Einflüsse lenken lasse, verliere ich den inneren Zusammenhalt und werde wahnsinnig. Genialität ist wahrscheinlich die Eigenschaft, genau auf diesem Grat zu reiten, wo einen das Leben im vollen Strom mitreißt und man trotzdem als Wesen nicht zerfällt. Also: Gestaltenwandler sind wir immer. Um im positiven Sinn Gestaltenwandler zu werden, brauchen wir Mut, Vertrauen und ein offenes Herz. Dies kann man möglicherweise üben, oder durch einen Meister lernen, vielleicht ist vieles davon auch Disposition. Carlos Castaneda lesen hilft vielleicht auch ;-) Der Gestaltenwandler im oben benutzten positiven Sinn muss auf jeden Fall eine Aufmerksamkeit gegenüber inneren Prozessen entwickeln. Der Gestaltenwandler ist der Aspekt des Designers, der sich den eigenen Beziehungen und ihren Veränderungen gegenüber öffnet. Demgegenüber könnte man den Neoschamanen als den Aspekt des Designers bezeichnen, der eher eine Aufmerksamkeit gegenüber äußeren Faktoren entwickelt und diese schult. Der Neoschamane muss ein Beobachter der Beziehungen der äußeren sichtbaren und unsichtbaren Welt sein und ihre Mechanismen verstehen, um dann auf sie einwirken zu können. Nicht umsonst sagen uns alle großen Permakulturlehrer: Beobachte, beobachte, beobachte! Beobachten, vielfältiges Wahrnehmen und Musterlesen sind die Basis, auf der ein Neoschamane seine Arbeit tut. Übt und beherrscht er diese Fähigkeiten, dann glaube ich, dass die Erkenntnisse, wie mit den Beziehungen zu arbeiten ist, mehr oder weniger von selbst kommt. Beobachten, Muster, Menschen und Landschaften lesen kann man lernen oder auch eine eigene Begabung dafür haben. Die Erkenntnisse daraus in bewusst-intuitive Gestaltung umzusetzen wird umso leichter fallen, wenn man Permakultur als Disziplin erlernt hat. Der Geschichtenerzähler ist nun wahrscheinlich derjenige Aspekt des Designers der synthetisch arbeitet, indem er innere und äußere Aspekte zusammenfügt und ihnen durch Kommunikation Bedeutung, also eine Geschichte verleiht. Hierfür braucht es Kreativität und Elloquenz, die nicht unbedingt sprachlich sein muss. Eine Geschichte kann auch durch Bewegungen, Handwerk, Kunst, ein Ritual oder einen bedeutenden Blick erzählt werden. Ich glaube, dass jeder Mensch die Fähigkeit dazu hat aber wenige den Zugang dazu kennen. Aber man kann Menschen sicherlich dabei unterstützen diesen Zugang zu finden.

Denkt Euer

jascha