Permakultur Fortgeschrittenenkurs in Karlsruhe – ein Rückblick

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Dieser Kurs war anders. Anders, als wir, und damit meine ich vor allem wir Dozenten, gedacht hatte. Hatten wir nach dem letzten Kurs geglaubt, wir hätten ein verallgemeinerbares Schema für den Gestaltungsprozess gefunden, so hat uns dieser Kurs Demut gelehrt und die wiederholte Erkenntnis, dass gerade Offenheit und Unkontrollierbarkeit die Grundqualitäten eines lebendigen Prozesses ausmachen.

Dass der Gestaltungsprozess in diesem Kurs fast schon ein Eigenleben besaß und stärker uns gestalten würde, als wir ihn, dämmerte mir schon am Tag der Ankunft in Karlsruhe. Kaum angekommen musste ich mir eine anthroposophische Fachsimpelei über Kaspar Hauser anhören. Ich war müde und hatte daran überhaupt kein Interesse. Ich wollte mir lieber noch letzte Gedanken machen, wie wir in den ersten Kurstag einsteigen könnten. Aber Kaspar Hauser ließ sich nicht vertreiben. Als ich im Bett lag und einschlief wurde mir bewusst, dass der Prozess schon begonnen hatte, bevor ich für ihn empfänglich gewesen war. Ich wusste nichts über Kaspar Hauser, aber ich war mir sicher, dass er uns während des Kurses begleiten würde.

Die Ziele für den Kurs in Karlsruhe waren die gleichen, wie beim letzten Fortgeschrittenenkurs in Freising auch: Der Kurs sollte die permakulturellen Methoden und Werkzeuge der Studenten wiederholen, vertiefen und zur Anwendung bringen. Es sollte eine möglichst reelle Gestaltungsaufgabe bearbeitet werden, deren genaues Ziel wir erst während des Kurses formulieren wollten. Dabei sollte eine Dokumentation als Ergebnis entstehen, die zeigt, wie Projektdokumentationen aussehen können. Nebenbei galt es die Methoden der Permakultur zu sichten, zu sortieren und in eine handhabbare Form zu bringen. Permakultur – so scheint es – ist eine ewige Baustelle. Bei allem Frust, den das gerade auch bei den Teilnehmern immer wieder auslöst, liegt in dieser Aufgabe auch eine große Lehre versteckt: die Zeiten, in denen wir irgendwo hingehen und fertige Lösungen aufnehmen, sind vorbei. Wer heute positive Transformationen gestalten möchte, muss sich immer wieder neu orientieren, neu aufstellen, neue Kontexte erschließen und neue Perspektiven einnehmen können. Das erst macht Permakultur zu der großen Herausforderung: sie tut nicht so, als wüsste sie schon wie alles geht. Daneben mussten wir uns als Gruppe finden, mit unseren Eigenarten zurecht kommen und Strukturen finden, wie wir gemeinsam produktiv arbeiten können. Durch die Hilfe und gute Vorbereitung waren uns dafür allerdings von Anfang an optimale Bedingungen geschaffen worden.

Wenn ich den Kurs heute nochmal an mir vorbeiziehen lasse, dann weiß ich gar nicht, was die eigentliche Gestaltungsaufgabe gewesen war. Auf der offensichtlichen Ebene haben wir als Gruppe Konzepte für den Karlsruher Ostauepark erstellt. Dieser Park, der sich als einzige Fläche dem geometrischen Masterplan Karlsruhes entzieht, liegt direkt am ehemaligen Kloster Gottesaue, weshalb wir ihn im Laufe des Kurses in die Gottesaue umtauften. Mindestens so interessant wie die Parkgestaltung selbst waren aber die Aspekte auf anderen Ebenen, die sich während des Gestaltungsprozesses entfalteten.

Fast alle Teilnehmer wurden auf die eine oder andere Weise damit konfrontiert, dass sie ihr eigenes Wissen und Können zurückhielten. Unser Gruppenprozess wurde dadurch oft träge und schwerfällig. Immer wieder gab es die Erwartungen, dass andere das erfüllen mögen, was man selbst sich nicht einzubringen traute. Wir alle wurden auf ganz unterschiedliche Weise an unsere Grenzen geführt, an denen wir uns nicht mehr zeigten. Ich selbst erlebte das insofern, als ich mich von der gestalterischen Arbeit fast schon künstlich fern hielt, weil ich Angst hatte, mich der von mir als verhalten wahrgenommenen Gruppe zu sehr aufzudrängen. Anderen ging es anscheinend ähnlich. Einige wollten ihre Ideen der Gruppe nicht mitteilen, um ihr Zeit zu lassen oder sie nicht zu sehr zu beeinflussen. Anderen fiel es schwer sich den Aufgaben zu stellen, die sie ihrer Meinung nach nicht so gut beherrschten, sei es das Zeichnen oder das Wahrnehmen. Wieder andere waren enttäuscht darüber, dass die permakulturelle Methodik unsortiert und unvollständig war und erwarteten entweder von anderen Kursteilnehmern oder den Dozenten dieses Manko zu füllen, ohne selbst ihr eigenes Wissen diesbezüglich mit Stärke und Kraft einzubringen.

In der Gottesaue spiegelten sich diese Befindlichkeiten – oder spiegelten sich die Gottesaue in uns? Ein Park, der verwahrlost und zwischen Straßen eingeklemmt nicht seine Schönheit zeigen wollte oder konnte, der eigentlich alles vor dem Betrachter offenlegte und trotzdem verhuscht und zurückgezogen wirkte, ohne Mut und Selbstbewusstsein seine eigenen Stärken offen zu zeigen. War es ein Zufall, dass fast alle Teilnehmer im Laufe der Kurszeit familiäre Geschichten erzählten, in denen vor allem der abwesende oder schwache Vater vorkam? Und war es Zufall, dass wir irgendwann irritiert die Methoden und Prozesse der Permakultur diskutierten und uns fragten, warum eigentlich noch immer keine gut sortierten Methodensammlungen vorliegen, die die Stärken der Permakultur offen dokumentieren würden? Dass Permakultur ein so positiver, ermächtigender Ansatz ist und er doch bisher kaum in voller Schönheit und Kraft zum Leuchten gebracht wurde?

Und Kaspar Hauser? Nach der anthroposophischen Interpretation war Kaspar Hauser als badischer Erbfolger auf die Welt gekommen um das sittliche Geistesleben Europas zu einen und zu stärken. Seine Familie verstieß ihn jedoch und sperrte ihn in eine dunkle Höhle, um eine andere Erblinie an die Macht zu bringen. Den Weg aus der Dunkelheit der Höhle ans Licht musste Kaspar Hauser aus eigener Kraft bewältigen. Auf die Hilfe seines Vaters konnte er nicht hoffen.

Die Gottesaue wirkt für mich wie ein organischer Uterus in der harten Stadtgeographie Karlsruhes. Ein Kleinod, dass eigentlich wieder leuchten könnte und sollte aber es dahin wohl aus eigener Kraft dahin schaffen muss. Vielleicht konnte unser vielschichtiger Gestaltungsprozess dabei helfen. Diesen Prozess habe ich als lebendig und generative erlebt und er war der Auslöser vieler Einzelprozesse auf unterschiedlichen Ebenen, die in Resonanz zueinander standen. Einige davon werden wir weiterverfolgen: wir werden unsere Ideen zur Gottesaue den Ämtern in Karlsruhe vorlegen und wir werden als Studenten, Dozenten und Tutoren der Permakultur Akademie daran arbeiten, unsere Methoden und Ideen ins Licht zu stellen. Einige Studenten haben damit direkt nach dem Kurs begonnen: ihren neuen Willen zum Leuchten haben wir Dozenten als Stellvertreterväter gleich erleben dürfen. Wenn das Kriterium für permakulturellen Erfolg die Tiefe der transformierenden Prozesse ist, hatten wir einen sehr erfolgreichen Kurs!