Der letzte Sexist von David Bowker

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Buchrezension

Wenn es um Bücher geht habe ich meinen Dünkel. Tief in mir drin sitzt die Überzeugung, Bücher von Goldmann nicht lesen zu können. Schon gar nicht, wenn sie einen Titel wie dieses haben. Der Urlaub machte es dann aber doch möglich: Im Regal der Ferienwohnung stehend, konkurrierte es mit der selbst mitgebrachten Literatur: Fachbücher und „Der Amokläufer“ von Stefan Zweig. Wenn man sich aber den ganzen Tag in der Sonne räkelt und aufs Meer schaut, will man sich dann mit Selbstmordgeschichten oder Arbeit quälen? Nein! Und schon gar nicht wenn das Buch von der eigenen Freundin mit dem Hinweis: „entspann Dich mal“ ins Tagesgepäck gesteckt wird. Also las ich den letzten Sexist innerhalb eines Tages mit entspannter Freude: eine perfekte Lektüre für einen völlig zwangfreien Urlaubstag.

Die erste Erkenntnis ist erschreckend: der letzte Sexist ist ein Mann wie ich (natürlich, sonst würde das Buch nicht funktionieren). Er ist emanzipiert sozialisiert worden und plagt sich mit den gleichen Schuldgefühlen als Mann, mit denen auch ich groß geworden bin. Er ist mittelmäßig erfolgreich damit geworden als Kollumnist für eine Frauenzeitschrift seine eigene Sexualität zu verleugnen und sich den Erwartungshaltungen einer Frauenwelt zu unterwerfen, die in überheblicher Rechtschaffenheit eine ideologische political correctness von allen Männern einfordert. Das Bild ist natürlich völlig überzeichnet aber dieses mulmige Gefühl gezwungen zu sein, die eigene Sexualität im Gegensatz zu einer unversalistischen Geschlechterethik denken zu müssen, kenne ich nur zu gut. Ich kann mich an zahlreiche Gespräche mit Freunden erinnern: hier waren wir, die emanzipierten Männer, die versuchten sich nach den äußeren Ansprüchen emanzipierter Frauen an uns zu formen, und da waren die gleichen emanzipierten Frauen, die mit irgendwelchen muskelbepackten Maschos abzogen und uns stehen ließen. Dieser Versuch sich mit starker Selbstdisziplin eine Haltung anzueignen, die von einem erwartet wird dann aber nicht die Anerkennung erfährt, die man sich davon erhofft hatte, tut natürlich weh.

Mit diesem mulmigen Gefühl spielt Bowker. Alle seine Gags zielen darauf ab, diese tief sitzenden Verspannungen und Kränkungen durch gezielte Lachattacken zu lösen. Ich habe selten so viel und laut am Stück gelacht.

Aber dabei bleibt es dann auch. Der zweite Teil des Buches wird zunehmend schräg und gezwungen und schraubt die vorerst ganz ordentlich aufgebaute Geschichte einem absurden Höhepunkt zu, der dann abrupt und uninspiriert auf wenigen Seiten endet, als hätte Bowker der Mut verlassen das Thema in letzter Konsequenz zu Ende zu denken. Das egalitäre Wischiwaschiende kapituliert vor dem Versuch einer Antwort oder zumindest einer gezielten Frage, wie die verkrampfte Geschlechtersituation in emanzipierten Kreisen sich entspannen könnte. Schade, denn so bleibt das Buch eine Reihe von Kalauern, die vor allem Männern und männerverstehenden Frauen befreiende Lachsalven entlocken werden, aber dahinter steht ein großes irritierendes Fragezeichen. Am beklemmensten wirkt der Gedanke, dass Bowker trotz aller süffisanten Kalauern und sexueller Explizierung, dies immer nur zitathaft und gleichsam hinter vorgehaltener Hand tut und den wirlichen Bruch, die wirkliche Grenzüberschreitung oder Provokation nicht wagt. Während der Held seinen Leidensweg geht, scheint Bowker seltsam bemüht trotz aller Offenheit die Grenzen der Political Correctness zu wahren, die doch das Thema seines Buches sind. Das macht am Ende ein wenig mutlos. Es wäre zuviel verlangt von einem Unterhaltungsroman, dass er gesellschaftliche Fragen lösen könnte, aber gezielte Fragen stellen dürfte, nein müsste, er schon. Bowker tut das nicht, er schmiedet einen Opferbund mit den Lesern seines Buches. Eine Perspektive, und sei es auch nur eine fragende, bleibt aus.

In sofern bleibt das Buch verhaftet im Bestehenden und die Zwanglosigkeit wirkt nur während des Lesens des Buches und verpufft beim Zuschlagen ohne Nachhall. Die Befreiung bleibt irreal wie ein sommiger Urlaubstag wenn der regnerissche Alltag wieder angebrochen ist. Aber wie man eine Erinnerung an die Entspannung des Urlaubs in den Alltag retten kann, so mag es auch gelingen, ein wenig von der Ironie Bowkers in den emanzipierten Geschlechteralltag zu transportieren.

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