Buchrezension
Frisch aus der Druckerei, liegt uns endlich eine erste deutschsprachige Einführung in die Mustertheorie Christopher Alexanders vor. Geschrieben hat sie der Österreicher Chemiker und Informatiker Helmut Leitner; ein Zeichen dafür, dass die Mustertheorie bisher vor allem in der Informatik ihre Anwendungsbereiche gefunden hat. Leitner ist als Wiki- und Online-Community-Pionier aber nicht nur von der methodischen Kraft der Mustertheorie fasziniert, sondern insbesondere auch von dem Paradigma, dass ihm zufolge mit der Mustertheorie verbunden ist. Alexanders Konzepte ermöglichen eine Sicht auf die Welt, die Lebendigkeit zum Zentrum einer wissenschaftlichen Theorie macht und uns dabei unterstützt, lebendige partizipative Systeme zu gestalten.
Das Buch Mustertheorie ist in der Reihe Fastbooks von Nausner & Nausner erschienen. Die Fastbooks wollen helfen intellektuelle Claims abzustecken und sehen ihre Aufgabe darin, originäre Ideen statt vollständig durchdachte Gedanken zu präsentieren. Die Analogie zum Fastfood drängt sich leider auf. Das Buch von Helmut Leitner schafft es zum Glück diesem Anspruch im Positiven gerecht zu werden, ohne dabei flach zu werden, wie es einem diese Verlagsankündigung befürchten lässt. Leitners Zusammenfassung der Alexanderschen Theorie lässt keine wichtigen Zusammenhänge aus. Sie verdeutlicht die Ausgangspunkte des Alexanderschen Denkens, gibt einen umfassenden Überblick über die Mustertheorie und deren zentrale Begriffe Zentrum, Ganzheit, Lebenseigenschaften, Muster und Prozess. Das Kapitel 4 zeigt eine vielfältige Mischung von realen und möglichen Anwendungsbeispielen, die sicherlich keine Vollständigkeit besitzen, schafft es aber, die Weite und Offenheit der Alexanderschen Theorie gut zu verdeutlicht. Wer im Kapitel 5 Anschlussmöglichkeiten erwartet, eine ideengeschichtliche Analyse zu finden, wird allerdings enttäuscht. Die angeführten Parallelen zu anderen theoretischen Richtungen stützen sich auf Analogien, die der Autor zu ihm bekannten theoretischen Konzeptionen zieht. Hier tauchen interessante Anregungen auf, die zu weiterem Nachforschen anregen aber leider nicht wirklich Aufschluss darüber geben, aus welchen Richtungen und Traditionen sich Alexanders Gedanken entwickelt haben und wie sie sich mit anderen Theorien in ihren konzeptionellen Tiefenschichten vertragen. Dies von einem Einführungsband zu erwarten, wäre allerdings auch fehl am Platz.
Der Text ist gut verständlich und flüssig geschrieben. Helmut Leitner schafft es einen objektiven Überblick zu bieten und sich doch als Autor immer wieder selbst zu zeigen und Position zu beziehen. Da diese Einmischungen aber immer gekennzeichnet sind, tun sie der Darstellung Alexanders Gedanken keinen Abbruch, sondern würzen das Buch eher mit Reibeflächen, an denen sich eigene Positionierungen entzünden können.
Wer sich für Mustertheorie und Mustersprachen interessiert, wer nach neuen Wegen in Gestaltungsberufen sucht oder nach einem innovativen Ansatz, der praktische Anwendbarkeit, theoretische Tiefe und Alternativen zum alltäglichen Designwahnsinn bietet, kann bei Christopher Alexander fündig werden. Wer jedoch bei einer ersten Annäherung vor dem umfangreichen englischen Gesamtwerk zurückschreckt, dem wird Helmut Leitners Einführung einen umfassenden stimulierenden Überblick in deutscher Sprache bieten. Dies sollte natürlich nicht davon abhalten, sondern eher als Einladung verstanden werden, sich irgendwann an die reich gedeckte Tafel Alexanders Originalwerke zu setzen und seine möglicherweise zeitlosen Ideen in aller Ruhe und Tiefe in sich aufzunehmen, während draußen kurzlebige Wissenswaren am Ideenmarkt platziert werden.
Mustertheorie – Einführung und Perspektiven auf den Spuren von Christopher Alexander von Helmut Leitner. Erschienen im Verlag Nausner & Nausner, Graz. 2007. 174 seiten. ISBN: 3-446-22272-3. ISBN-13: 978-3901402500